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Amtsarzt warnt vor Kontrollverlust in der Corona-Krise

Berliner Stadtteile führen seit Wochen die Listen mit den höchsten 7-Tage-Inzidenzien an. Im Mittelpunkt steht dabei Berlin-Neukölln mit mehr als 170 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner. Nun hat sich der dortige Amtsarzt zu Wort gemeldet.

Nirgendwo in Deutschland gibt es eine höhere 7-Tage-Inzidenz als im Berliner Stadtteil Neukölln. Dies hat das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales mitgeteilt. Derzeit liegt dieser Wert bei 173,1 Fälle pro 100.000 Einwohner in einer Woche. Damit liegt der Stadtteil fast fünfmal über dem von Bund und Ländern neu beschlossenen kritischen Wert von 35 Neuinfektionen, ab dem dann unter anderem eine verschärfte Maskenpflicht gilt. Noch strengere Regeln, wie etwa Kontakt- oder Ausgangsbeschränkungen werden eingeführt, wenn die 7-Tage-Inzidenz auf mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner steigen.

Doch steigen in Berlin die Zahlen seit geraumer Zeit immer weiter an. Besonders betrifft dies den Stadtteil Neukölln. Das dortige Ausbruchsgeschehen sei ein „diffuses“, dass laut dem RKI auf Partygänger und Familienfeiern zurückzuführen sei.

Neuköllner Amtsarzt: Lage erreicht unkontrollierbare Ausmaße

Inzwischen hat sich auch der amtierende Amtsarzt aus Neukölln, Nicolai Savaskan, zu Wort gemeldet. Er sagte, dass Familienfeiern und Ausbrüche in Bars das geringste Problem für ihn und seine Kollegen sei. Sobald sie erkannt werden, kann man sie recht gut eindämmen.

Vielmehr vermutet er, dass es über Wochen ein „asymptomatisches Infektionsgeschehen“ gab, welches sich im Verborgenen abgespielt hat. Auch sei der Moment, in dem durch „Abriegeln“ die Ausbreitung des Virus hätte verhindert werden können, längst vorbei. Er sagte dem Tagesspiegel: „Stellen Sie sich einen Waldbrand vor: Wir haben nicht mehr einen Brandherd, sondern multiple Glutnester – nicht Dutzende, sondern Hunderte. Die Analyse der Fälle zeigt keine regelhafte Verteilung mehr, keine Cluster.“

In seinem Stadtteil könne man in 70 Prozent der Fälle den Infektionsherd nicht mehr ausfindig machen, das Virus verbreitet sich mittlerweile unkontrolliert. Besonders Alte und Kranke müssten daher nun vor einer Ansteckung geschützt werden. Daher warnte er: „Was wir jetzt schon in Neukölln erleben, sind nur die Vorboten von dem, was wir wahrscheinlich in allen Metropolen des Landes erleben werden.“

Bewusstsein der Menschen hat nachgelassen – weil sie verunsichert sind

Zudem bemängelt Savaskan, dass das Bewusstsein zur Eindämmung des Virus und die dafür notwendigen Maßnahmen bei den Menschen nachgelassen habe. Auch wüssten Entscheidungsträger in Behörden und Unternehmen nicht ausreichend Bescheid: „Die Regeln des Robert-Koch-Instituts sind kaum noch präsent, das erschwert unsere Arbeit sehr, weil es den Beratungsaufwand pro Fall enorm erhöht. Wir fangen gerade wieder bei Null an.“ Auf die zunehmende Verunsicherung der Menschen sei dies zurückzuführen. Durch ständig wechselnde Verordnungen wie bei den Reiserückkehrern und dem Beherbergungsverbot wurde dies besonders sichtbar.

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Author
Sara Breitner