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Sieben-Tage-Grenzwert ist überholt

Derzeit gibt es sieben Regionen in Deutschland, die die von der Politik festgelegte Obergrenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner reißen. Der Charité-Professor Willich sieht dies aber kritisch, da er bereits im Frühjahr festgelegt wurde und fordert ein Umdenken.

Für eine ordnungsgemäße statistische Einschätzung der Corona-Zahlen fehlt nach Angaben des Direktors am Institut für Epidemiologie an der Charité Berlin, Professor Stefan Willich, ein “vernünftiger Bezugsrahmen”. Der Schwellenwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner sei vor über fünf Monaten definiert worden. Beim RBB-Inforadio sagte Willich: “Das schien damals präzise, war aber eigentlich immer nur ein grober Anhaltspunkt”.

Es sei dadurch nicht zu unterscheiden, ob eine infizierte Person zufällig getestet wurde oder doch ernsthaft erkrankt ist. Auch stieg die Zahl der durchgeführten Tests signifikant. “Das heißt, allein wegen der Anzahl der Testungen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass man hier diese Zahl mal überschreitet. Dann gibt es keinen vernünftigen Bezugsrahmen”, so Willich.

Daher sollten sich die Zahlen künftig auf repräsentative Stichproben beziehen, welche jetzt erst, wie etwa durch das Robert-Koch-Institut angestoßen, zur Verfügung stehen. “Ich denke, das wird in den nächsten Wochen auch auf der Basis von neuen Stichprobenerhebungen noch einmal anders definiert werden müssen”, sagte Willich. Werte könnten somit besser und auch realistischer eingeordnet werden. Um künftig ein exponentiellen und somit gefährliches Infektionsgeschehen zu erkennen, sollte nach Vorbild der Berliner Ampel auch auf den Ansteckungswert (R-Wert) und die Belegung der Intensivbetten geachtet werden.

Binnen sieben Tagen haben nach neuesten Informationen des RKI die Hauptstadtbezirke Mitte, Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg die von Bund und Länder festgelegte Obergrenze von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner überschritten. In Niedersachsen kommt noch der Landkreis Vechta und in NRW die kreisfreien Städte Hamm und Remscheid hinzu. In der Nähe des kritischen Wertes liegen unterdessen zehn weitere Regionen, hier liegt der Wert über 40.
Seit Beginn dieser Erfassung ist die am Montag erreichte Anzahl der sieben Regionen mit mehr als 50 Neuinfektionen der höchste Stand.

Professor Willich geht davon aus, dass Schutzvorkehrungen in Form von Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz und der Nachverfolgung von klinisch erkrankten Fällen noch eine ganze Zeit lang zum Alltag dazugehören wird. “Das werden die Stützpfeiler einer langfristigen Strategie sein. Wir müssen längerfristig mit diesen Maßnahmen leben, dann wird das Pandemie-Geschehen auch im Griff bleiben.” Besonders gut geschützt werden müssten zudem die Risikopatienten in Altersheimen, Pflegeheimen und Krankenhäusern.

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Author
Jerry Heiniken