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Zweiter deutschlandweiter Lockdown nicht möglich

Die Sorgen über einen zweiten Lockdown steigen mit den Infektionszahlen. In der Wirtschaft gehen Existenzängste bei vielen Besitzern von Gaststätten und Geschäften um. Aber Rechtsexperten sagen, dass ein neuer Lockdown von der Kanzlerin nicht so einfach verhängt werden kann.

Erneute Ausgangsbeschränkungen wurden in Berchtesgaden verhängt, als die Sieben Tage-Inzidenz auf über 200 gestiegen war. Daraus entstehen nun auch Ängste vor einem erneuten bundesweiten Lockdown, denn im gesamten Land steigen die Zahlen weiter an.

Nicht nur den Alltag und die sozialen Kontakte der Menschen würde ein zweiter Lockdown beschränken. Es leiden vor allem Einzelhändler, Gastronomen und Hoteliers, wenn ihre Betriebe erneut geschlossen würden. Diese Ängste wurden von Bayerns Ministerpräsidenten Söder weiter angefacht. Am 19. Oktober hatte er gesagt, “wir nähern uns dieser Situation mit großen Schritten in ganz Deutschland”.

Rechtsexperte über erneuten Lockdown: „Bundesweite Vorschrift kompetenziell und sachlich nicht möglich“

Aber droht tatsächlich ein erneuter Lockdown? Der Rechtsexperte Ferdinand Kirchhof sagte gegenüber der „Welt“, dass “eine bundesweite Vorschrift kompetenziell und sachlich nicht möglich” sei. Bis 2018 war Kirchhof Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts und weiß, worüber er redet. Er nannte auch mehrere Gründe dafür. Die Hürden seien dieses Mal höher als im Frühjahr, es entsteht eine größere Gefährdung von Gastronomie, Tourismus- und Einzelhandelsbranchen durch diese Schließungen.

Außerdem verwies er gegenüber der „Welt“ auf den Artikel 12 des Grundgesetzes, der die Berufsfreiheit festschreibt. Es müssten erneute Einschränkungen gegenüber anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern abgewogen werden.

Argumente von Politikern rechtlich nicht ausreichend

Er hält auch das Argument vieler Politiker, die sich vor allem auf die Belastung von Intensivstationen beim Verhängen von Maßnahmen beziehen, für unzureichend. „Eine allgemeine Überforderung des Gesundheitssystems kann keine Rechtfertigung liefern. Dann muss man vielmehr schnell neue Kapazitäten schaffen“, sagte er der “Welt”.

Auch dürfe es nur zur Bekämpfung der konkreten Gefahr und nicht als erzieherische Maßnahme ausgerichtet sein. Und er betonte darüber hinaus auch, wie wichtig eine Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen sei, besonders bei regionalen Lockdowns.

Ebenfalls in der „Welt“ bekräftigte der Verfassungsrechtler Klaus Gärditz die Forderung nach einer Verhältnismäßigkeit. Aber er betonte auch: „Es kommt für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung auf die weitere Entwicklung der Infektionszahlen und die ganz konkreten Maßnahmen an, die nicht pauschal, sondern nur gegenstands- und branchenspezifisch rational zu rechtfertigen sind.“ Gärditz ist Professor für öffentliches Recht an der Universität Bonn und parallel dazu stellvertretender Richter am Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen. Die Maßnahmen müssten “insbesondere erforderlich” und “nicht willkürlich” sein.

Forderung nach Verhältnismäßigkeit

„Das erfordert eine Abwägung unter Berücksichtigung der verfügbaren Erkenntnisse“, sagte auch Gertrude Lübbe-Wolff. In der Zeit von 2002 bis 2014 war sie Richterin am Bundesverfassungsgericht. Sie begrüßt unter anderem das schnelle Eingreifen der Gerichte, als in der vergangenen Woche das Beherbergungsverbot auf dem Prüfstand kam. Gerade bei Eilverfahren hätten die Gerichte eine besondere Verantwortung, vor allem, wenn noch keine umfassen Prüfung der Maßnahmen erfolgen konnte.

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Jerry Heiniken